Freitag, 16. Mai 2025

Ein ungezähmtes Tier- Joël Dicker


Jeder Mensch hat Instinkte, Triebe und eine ungezähmte Seite in sich. Wir können sie bis zu einem gewissen Zeitpunkt oder einem Ereignis kontrollieren. Wir alle "brennen" für etwas – leben, arbeiten, lieben für irgendjemanden, für irgendetwas oder am besten für uns selbst. Es ist egal, ob es sich um ein Hobby, die Arbeit, eine ehrenamtliche Position oder eine Sportart handelt – wir riskieren unser Leben. Ein gewisser Nervenkitzel kann definitiv belebend sein, aber man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass dieses Risiko manchmal unberechenbar ist.

Diese Triebe sind im Grunde unbezähmbar. Wenn wir diese Emotionen unterdrücken, dann verhalten wir uns unberechenbarer, sind gereizter und in jedem Fall haben wir womöglich schlechte Laune. Und die Menschen in unserem Umfeld merken dann sehr schnell, dass irgendetwas anders ist.

Der Schweizer Erfolgsautor Joël Dicker hat das "Ungezähmte" in seinem neuen Roman auf den Punkt gebracht!

2. Juli 2022: In Genf bereiten zwei Einbrecher den Überfall auf einen Juwelier vor. Doch dieser Raub ist alles andere als zufälliges Verbrechen ...

Fünf Tage zuvor plant Sophie Braun ein großes Fest anlässlich ihres 40. Geburtstags. Sie lebt mit ihrer Familie in einem großzügigen Haus am Genfer See, das Leben scheint ihr zuzulächeln. Aber die Idylle trügt. Denn ihr Ehemann ist offenbar in kriminelle Machenschaften verstrickt. Ihr Nachbar, ein vermeintlich untadeliger Polizist, spioniert die intimsten Winkel ihres Lebens aus. Und dann offeriert ihr ein Unbekannter ein Geschenk, das sie tief erschüttern wird.

Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade des privilegierten Paars? Und was verbindet sie mit dem raffinierten Juwelenraub? (Verlagsinfo) 

Es scheint, als würden diese vier Figuren ihre Emotionen miteinander teilen. Es gibt eine Vielzahl von Emotionen, die wir als menschliche Wesen verspüren, darunter Begehren, Hass, Neid, Eifersucht, Bewunderung und eine gewisse Abneigung. Es sind allesamt "Scheinriesen", die unter ihrer täglichen Maskerade vieles verbergen.

In zeitlichen Rückblenden wird dem Leser auf sensible Weise bewusst, dass es neben dem ganzen "Glanz" und "Gloria" auch einige dunkle Geheimnisse gibt, die schließlich in einem Raubüberfall und einem Toten münden. Der Titel ist ein Kriminalroman, der jedoch auch Elemente einer psychologischen Geschichte aufweist. Es erwarten Sie zahlreiche überraschende Wendungen.

"Ein ungezähmtes Tier" ist ein spannender und eindrucksvoller Roman, der auf den ersten Blick zu überzeugen weiß. Bei näherer Betrachtung könnte man sagen, dass diese Raffinesse durchzogen ist von Klischees. Die Figuren sind gut beschrieben, wobei das Verhalten der Figuren als etwas stereotypisch empfunden werden könnte. Hinter diesem Vorhang könnten sich Überraschungen verbergen, die dazu beitragen könnten, eine interessante und tiefe Spannung aufzubauen.

Dickers scheint ein besonderes Talent dafür zu haben, die zahlreichen erzählerischen und zeitlichen Ebenen der Figuren aufzubauen, ohne dass dabei unlogische Verwirrungen entstehen. Der Autor hat es verstanden, mit einer Reihe von überraschenden Elementen und einer geschickten Wortakrobatik zu überzeugen. Auch die scheinbar unwichtigen Szenen tragen auf subtile Weise zur Entwicklung der Dynamik des Romans bei und verleihen ihm so eine gewisse Tiefe.

Fazit

Spannend – Abwechslungsreich – Überraschend – großartiger Spannungsgarant der auf hohem Niveau eine Unterhaltung bietet, der man sich nicht entziehen kann.

Michael Sterzik

Samstag, 10. Mai 2025

Die Spionin - Tess Gerritsen


Als Geheimnisträger, als ehemaliger Agent eines Nachrichtendienstes ist es schwierig, auf die Frage zu antworten, welchen Beruf man ausgeübt hat. Einfach nüchtern zu sagen: „Ich war früher Spionin im Dienste der CIA und habe verdeckt gearbeitet“ - das klingt zwar ein bisschen nach James Bond, aber grundsätzlich wird diese Frage ehemaligen Geheimdienstlern trotzdem gestellt. Schließlich bringt es der Beruf mit sich, dass man Zeuge oder vielleicht sogar Täter in brisanten Situationen wird. In Krisenländern, in denen es um Drogen, Terrorismus, Waffenhandel geht, kann es für den Spion/Agenten lebensgefährlich werden. Eine Marionette an langen Fäden, die sicherlich auch die eine oder andere posttraumatische Belastungsstörung mit sich bringen dürfte. Ach ja, und neben diesem heiklen Beruf gibt es ja auch noch das Privatleben, eventuell mit Partner und Kindern - und selbst diese schützt man mit Lügen, Betrug und vielen Halbwahrheiten, um sie nicht selbst in den Fokus einer Bedrohung zu rücken.

Und wenn man dann tatsächlich das Renten-/Pensionsalter erreicht - dann trägt man vielleicht so viel seelisches Gepäck mit sich herum, dass man sich nur noch nach idyllischer Ruhe sehnt. Alte Gewohnheiten, die man aber auch in einem Nebenfach des Gepäcks mit sich führt - und zwar immer. Und was passiert, wenn alte Freunde oder Feinde an die Tür klopfen, um ein offenes Thema zu beenden? Richtig - das kann viel, viel Ärger bedeuten.

Tess Gerritsen beschreibt diese Thematik im ersten Buch der Reihe: „Die Spionin“. 

Über Maggie Bird kann man einiges erzählen: Sie züchtet Hühner, ist eine zuvorkommende Nachbarin und lebt ein ruhiges Leben im idyllischen Purity in Maine. Die scheinbar durchschnittliche Sechzigjährige besucht regelmäßig einen Buchclub, wo sie mit ihren ebenfalls pensionierten Freunden Martinis trinkt – gerührt, nicht geschüttelt. Sie kann hervorragend mit einem Gewehr umgehen. Und sie spricht nie über ihre Vergangenheit.

Als eines Tages eine tote Frau in ihrer Auffahrt liegt, ist Maggie sofort klar: Dies ist eine Nachricht aus der »guten alten Zeit«. Vor sechzehn Jahren arbeitete sie für die CIA, und nun scheint die Vergangenheit sie eingeholt zu haben. Zusammen mit ihren Freunden aus dem Buchclub – alles ehemalige Spione wie sie – nimmt Maggie die Ermittlungen auf, denn sie alle wissen: Für die lokale Polizei ist dieser Fall eine Nummer zu groß …(Verlagsinfo) 

Es ist keine neue Idee, eine Reihe alter Spione wieder auferstehen zu lassen, die ihr altes Netzwerk und ihre Fähigkeiten nutzen, um Verbrechen aufzuklären. Der Auftakt der Erfolgsautorin ist jedenfalls originell gelungen und verspricht gute Unterhaltung und einen soliden Spannungsbogen.

Die Geschichte gliedert sich in Gegenwart und Vergangenheit - wobei die Rückblenden inhaltlich spannender und abwechslungsreicher erzählt sind. „Die Spionin“ ist bei weitem kein Actionthriller, das Tempo ist gemächlich, aber die Geschichte überzeugt durch ihren Realismus. Vielleicht abgesehen von den fünf Freunden, allesamt ehemalige Agenten, die zusammen in einer Kleinstadt leben, Martinis trinken und bei gutem Essen über Literatur plaudern.

Es gibt eine Vielzahl von Figuren in diesem Roman, die sicher auch in den Folgeromanen eine Rolle spielen werden. Schließlich gibt es noch vier weitere Freunde, die von ihren früheren Abenteuern bei der CIA zu berichten haben.

So konzentriert sich alles auf Maggie - und die anderen Figuren werden eher oberflächlich beschrieben. Hier hätte ich mir die eine oder andere Nebenfigur gewünscht, die der Geschichte etwas mehr Tiefe gegeben hätte.

Originell und augenzwinkernd ist dagegen die Polizistin in dem kleinen Ort, die neben einer Leiche langsam begreift, dass die rüstigen, gut ausgerüsteten Rentner etwas zu verbergen haben. Deren Ruhe und Gelassenheit mit souveränem Schweigen zu beantworten, bringt die junge Beamtin ein wenig zur Verzweiflung.

Neben der handfesten Spannung kommt auch das Gefühl nicht zu kurz. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Maggie erzählt, die mit vielen alten Gefühlen, Ängsten und Vorwürfen kämpft, die sie nur schwer in den Griff bekommt.

„Die Spionin“ macht große Lust auf eine Fortsetzung und ich hoffe, dass sich im zweiten Band nicht wieder alles um Maggie Bird dreht.

Fazit

Fünf Freunde, das sind wir - mit vielen Geheimnissen und einem gewissen Talent, auch im Alter nicht zur Ruhe zu kommen. Eine spannende Geschichte mit tollen Charakteren.


Michael Sterzik

Sonntag, 4. Mai 2025

Die Tribute von Panem L. Der Tag bricht an – Suzanne Collins


Brot und Spiele - wenn in einer Arena getötet wird, nur um sich zu amüsieren, ist das für uns schwer vorstellbar. Und doch gab es dieses makabre Spektakel eines morbiden Vergnügens vor Tausenden von Jahren, und wahrscheinlich gibt es diese im Schatten unserer ethisch-moralischen Welt immer noch.

Suzanne Collins hat vor einigen Jahren eine Dystopie veröffentlicht, die genau dieses Thema behandelt. Kinder oder Jugendliche aus verschiedenen Distrikten müssen sich in einer kontrollierten Arena gegenseitig töten. Eine Strafe und Mahnung an die Distrikte, sich nie wieder einer Rebellion anzuschließen - „Die Tribute von Panem“.

Für Jugendliche und Junggebliebene eine sehr erfolgreiche Buch- und Filmreihe. Nicht nur, um eine gewisse gnadenlose Brutalität zu zeigen, sondern auch, um zu zeigen, was solche staatliche Gewalt mit jungen Menschen machen kann und wie daraus ein Funke der Rebellion und des Aufbegehrens gegen ein totalitäres System werden kann.

Wenn du dazu bestimmt bist, alles zu verlieren, was du liebst, wofür lohnt es sich dann noch, zu kämpfen? Als der Tag der Ernte anlässlich der Fünfzigsten Hungerspiele anbricht, erfasst Angst die Distrikte von Panem. In diesem Jahr werden zu Ehren des Jubel-Jubiläums doppelt so viele Tribute aus ihrem Zuhause gerissen. In Distrikt 12 versucht Haymitch Abernathy, nicht allzu sehr über seine Chancen nachzudenken. Alles, was ihn interessiert, ist, den Tag zu überstehen und bei dem Mädchen zu sein, das er liebt. Als Haymitchs Name aufgerufen wird, spürt er, wie all seine Träume zerbrechen. Er wird von seiner Familie und seiner großen Liebe getrennt und zusammen mit den drei anderen Tributen aus Distrikt 12 zum Kapitol gebracht: einer Freundin, die fast wie eine Schwester für ihn ist, einem besessenen Quotenmacher und dem arrogantesten Mädchen der Stadt. Als die Spiele beginnen, wird Haymitch klar, dass er nur verlieren kann. Aber etwas in ihm will kämpfen - und diesen Kampf weit über die tödliche Arena hinaus klingen lassen. (Verlagsinfo) 

In dem vorliegenden Roman werden verschiedene Figuren aus der Trilogie aufgegriffen, die dem Rezipienten bereits aus vorhergehenden Werken bekannt sind. Die Handlung setzt jedoch zu einem früheren Zeitpunkt ein. Allerdings manifestiert sich bereits eine Rebellion. Obwohl die Saat erst Jahre später aufgeht, gelingt es der Autorin, die Welt von Panem inhaltlich viel komplexer darzustellen.

Suzanne Collins hat es durch die Schaffung von charakterstarken Figuren ermöglicht, eine nachhaltige psychologische Bühne zu erschaffen. Der Kampf in der Arena nimmt das letzte Drittel des Romans ein, davor wird die Hauptfigur Haymitch mit den Vorbereitungen beschäftigt und eine Vielzahl von Haupt- und Nebenfiguren werden vielseitig um ihn gruppiert und in Position gebracht. Des Weiteren begegnen wir Präsident Snow sowie Plutarch, der die Situation mit einer gewissen souveränen Gelassenheit zu kontrollieren scheint, als sei er ein erfahrener Marionettenspieler, der die Fäden seiner Marionetten in seiner Hand hält.

Die Autorin zeigt klar auf, wie Menschen für eine übergeordnete Idee instrumentalisiert werden. Die Liebe zu einer Person, einer Sache oder dem Ideal der Freiheit ist der zentrale Gedanke der gesamten Handlung sowie der Reihe.Das totalitäre Regime des Kapitols zeigt noch viel mehr: Es ist menschenverachtend und brutal. Ich sage euch: Das ist alles Show! Das ist eine einzige große Manipulation, mit der sie dem Volk einen Gedanken von Wohlstand und Freiheit suggerieren. In den Distrikten wird mit dem Tod bestraft, wer auch nur den Hauch von Widerworte zeigt oder den geringsten Verdacht einer Auflehnung äußert.

Suzanne Collins schildert die erbarmungslosen Kämpfe in der Arena drastischer und blutiger als noch in der ersten Trilogie. Hier findet ein guter Ausgleich zwischen vielen Emotionen und blutigem Aktionismus statt. Das hält die Spannung und den Unterhaltungswert auf hohem Niveau.

Es ist egal, ob dem Leser der Ausgang und natürlich Haymitch als Sieger bekannt ist. Es geht nicht um das, worum es scheint. Es geht um seine persönliche Entwicklung und darum, später zu einer Schlüsselfigur der Rebellion zu werden.

Der vorliegende Titel dieser Reihe ist damit der wichtigste und auch der beste. Inhaltlich außerordentlich emotional und auch mitunter brutal drückt die Autorin sehr konsequent und kompromisslos auf unsere Emotionsknöpfe. 

Zum Teil finde ich es immer noch sehr schade, dass man nicht über die Vergangenheit von Panem erfährt! Wo liegt Panem? Was ist mit der übrigen Welt? Es gibt hier noch unzählige Fragen, auf die wir bislang keine Antwort erhalten haben. Vielleicht hält sich die Autorin auch noch hier zurück, um zu einem späteren Zeitpunkt erzählt zu werden. 

Fazit

„Der Tag bricht an“ ist inhaltlich der spannendste Teil dieser großartigen Reihe. Emotional nachhaltig, eine konsequente atmosphärische Härte, mit wenig Überraschungen, dafür einen durchaus kritischen Blick auf ein kriminelles Regime. 

Michael Sterzik

Freitag, 2. Mai 2025

24 Stunden unterwegs alten Rom - Philip Matyszak


Die ewige Stadt - der Mittelpunkt der Welt - das antike Rom - so und noch viel mehr lässt sich diese Stadt beschreiben. Eine Metropole, die eigentlich auch ein einziges großes Freilichtmuseum ist. Hinter jeder Ecke verbirgt sich ein Monument, sei es eine Statue, ein Denkmal, eine Säule, vielleicht auch ein Triumphbogen oder eine historische Ruine, die in der römischen Kaiserzeit ein imposantes Gebäude des ohnehin schon großen Stadtzentrums war.

Die Stadt und ihre Bewohner haben Geschichte geschrieben, Politik, Kultur und Religion auf unserem Planeten beeinflusst. Rom ist unsterblich geworden und wird immer die Aura einer gewissen Mystik um sich haben. Die Römer waren besessen von ihrer Macht, von ihrem Einfluss, den sie anderen Ländern mit brutaler Überzeugungskraft aufzwangen, und die Geschichtsbücher und Quellen zeugen vom Aufstieg und Fall dieser Weltmacht.

Doch wer waren diese Menschen in dieser multikulturellen Metropole und wie lebten, dachten und fühlten sie? Inzwischen haben Forschung und Wissenschaft plausible Antworten auf die Gestaltung des einfachen Alltags dieser Menschen, die so waren wie du und ich - oder doch etwas anders.

Die römische Epoche war eine aufregende Zeit, in der es viele einfache Berufe gab, die auch heute noch existieren. Außerdem gab es zahlreiche Männer und Frauen, die sich in der Politik und Intrige wiederfanden. Schon vor zweitausend Jahren gab es gesellschaftliche Zwänge und eine gewisse Erwartungshaltung – wie spannend!

Wir kennen sie aus Filmen und Büchern: die Wirtsleute, die Kaufleute oder sogar die Priesterinnen. Aber was wissen wir wirklich über ihren Alltag? Absolut richtig! Da fehlt es eindeutig an etwas! Der Historiker Philip Matyszak hat sich auf die römische Geschichte spezialisiert und lässt uns in einer atemberaubenden Zeitreise 24 Stunden lang teilhaben am Leben von Menschen, die zwar historisch unwichtig waren, die aber durch ihre Arbeit maßgeblich dazu beitrugen, dass Rom zur Weltmacht aufstieg.

Spätsommer 137 n. Chr. – das Römische Reich ist auf dem Höhepunkt seiner Macht und Blüte. Die Hauptstadt Rom ist der Nabel der Welt, ein prosperierender Hotspot, der Menschen aus allen Teilen des Imperiums anzieht. Doch wie gestaltet sich ihr Alltag? Welche Sorgen, welche Ängste, welche Hoffnungen und Wünsche treiben sie um? Dieses Buch führt uns 24 Stunden lang an der Seite von 24 Bewohnern durch das antike Rom. Vom Sklaven bis zum Senator, von der vestalischen Jungfrau bis zur Prostituierten, von der Wäscherin bis zum Gladiator – 24 Biografien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, zeichnen ein faszinierendes und fesselndes Bild des pulsierenden Lebens der »ewigen Stadt« am Tiber unter Kaiser Hadrian.(Verlagsinfo) 

"24 Stunden im alten Rom" ist kein spannender Roman, sondern ein echt gutes Sachbuch. Es ist in 24 Kapitel unterteilt, die jeweils einen anderen Beruf behandeln. Die Biografien sind echt interessant und geben uns vielleicht ein besseres Bild vom Römischen Reich. Es geht nicht nur um die detaillierten Beschreibungen der Jobs, sondern auch um die Gedanken, Ängste und Hoffnungen der Menschen im Schatten von Rom. Ihre Gedanken waren da nicht anders als die unserer Zivilisation. Genauso wichtig war die gesellschaftliche Rolle, der eigene Einfluss und die Religion. Die Geschichten sind manchmal miteinander verwebt und manchmal komplexer als man denkt. Die Traditionen und der Aberglaube, der auch in der Religion eine Rolle spielte, waren schon interessant. Letztlich war das Leben aber nicht viel wert. Man hat überlebt und gelebt, um Rom zu dienen. Es ist echt wichtig, die richtigen Leute zu kennen. Ein einzelnes Wort, ein vergessener Gruß oder andere kleine Dinge können dir das Leben kosten. Es gab bestimmt viele gesellschaftliche Minenfelder.

Philip Matyszak erzählt all diese kleinen Schicksale auf sensible und feinfühlige Art und Weise. Er lässt uns hinter die Kulissen dieser Stadt blicken und in die Gedankenwelt seiner 24 Protagonisten. Diese haben uns sehr viel erzählt.

Historische Aussagen von Cicero oder Plinius dem Jüngeren bringen uns direkt in deren Gedankenwelt, wenn sie sich als "Notiz" in der Kurzgeschichte einmischen. Diesen Zeichnungen, Beschreibungen und Bildern von Menschen, Werkzeugen und Alltagsgegenständen, die uns bekannt sein dürften, kommt eine entscheidende Bedeutung zu.

"24 Stunden im alten Rom" mag uns zwar keine 24 Stunden Lesezeit bereiten, aber diese kleinen Geschichten wecken definitiv unser Interesse, eine oder andere zu recherchieren.

Geschichte kann nüchtern und uninteressant erzählt werden, hier finden wir das genaue Gegenteil von "langweilig" und zäh. Leser historischer Romane, die die römische Kaiserzeit interessant finden, werden von diesem Buch begeistert sein.

Fazit

24 brillante Momentaufnahmen, die uns via Zeitsprung in den Alltag der Menschen katapultieren. Lehrreich, interessant aufbereitet und ein Titel, der auch im Geschichtsunterricht in Schulen seinen Platz finden könnte. 

Michael Sterzik

Sonntag, 20. April 2025

Der Verräter - Anthony Ryan


Ein Freiheitskampf ist unberechenbar - die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Alle Motive und Ideale können eine gewisse Eigendynamik entwickeln, denn wenn man über Macht und Einfluss verfügt, kann das auch verführerisch sein. Es entsteht eine Radikalität, die alles in einem gewissen Umkreis völlig zerstören kann - unabhängig von den Zielen, für die man vorher eingetreten ist. 

So entstehen Bürgerkriege - und es ist vielleicht der schlimmste Krieg, wenn Brüder gezwungen werden, gegen andere Brüder zu den Waffen zu greifen.

Anthony Ryan nimmt diese Thematik in seinem abschließenden Roman der Reihe: Der stählerne Bund: „Der Verräter“ auf. 

Es war eine lange Reise für Alwyn Scribe. Als Bastard geboren und als Geächteter aufgewachsen, ist er jetzt ein Ritter und der engste Berater von Lady Evadine Courlain. Gemeinsam haben sie unzählige Schlachten gewonnen und dazu beigetragen, Ordnung in ein zerrüttetes Königreich zu bringen.

Evadine Courlain ist schon längst nicht mehr die Frau, die Alwyn einst kannte und für die er durchs Feuer gegangen wäre. Als puritanische Wut zunehmend ihren wohlwollenden Glauben ersetzt, beginnt Alwyn sich zu fragen, was ihre wahren Motive sind und ob er diesen eigentlich noch dienen will. Während sich das Königreich also für eine letzte Schlacht rüstet, kämpft Alwyns Gewissen seinen eigenen Krieg – mit seinem Herzen. Jetzt muss er sich final entscheiden, auf wessen Seite er wirklich steht.(Verlagsinfo) 

Die Grenzen fallen - die Grenzen zwischen einem „gerechten Krieg“, einer Prophezeiung, dem uralten Kampf zwischen dem elementar Guten und dem radikal Bösen, zwischen Freundschaft und verhängnisvoller Liebe. Im letzten Band konzentriert sich der Autor auf die Figuren, die sich ihrer Taten bewusst werden. Und so ein Aufschrei des eigenen Gewissens kann ein Echo erzeugen, das sich wie ein Tsunami ausbreitet. 

Kriege entstehen oft aus politischen und religiösen Motiven und verschwinden später hinter den Kulissen, weit weg von dem, wofür man gekämpft hat. Die Unschuld ist oft eines der ersten Opfer. 

Alywin Sribes Karriere und sein Schicksal lagen nie wirklich in seiner Hand. Wie eine Marionette, wie eine Schachfigur wurde er manipuliert und mal hierhin, mal dorthin geschoben. Und obwohl er ahnte und später wusste, dass sich die Eskalationsspirale drehte, konnte er sein eigenes Handeln nicht stoppen. Seine Perspektive zieht sich erzählerisch durch das ganze Buch - das ist manchmal etwas schade, denn es wäre von Vorteil gewesen, auch in die Gefühlswelt der anderen Hauptpersonen einzudringen.

Anthony Ryan lässt leider in allen seinen Romanen das Ende der Trilogie erahnen, es sei denn, es geht weiter - und das kann es durchaus. 

Interessant ist, wie Ryan uns eine Welt zeigt, in der vor allem Religion und alte Prophezeiungen die Ursache für unsägliches Leid und Tod sind. 

Anthony Ryan erzählt viel vom "Leben und Sterben" und auch in diesem Band endet das Leben für die eine oder andere Figur, was der Geschichte eine unfassbare Realität verleiht. 

Das Ende des Romans und der Reihe ist versöhnlich, nicht überraschend und der Autor nimmt sich die Freiheit, die Reihe fortzusetzen.

Fazit

Der Gesetzlose, der zum Ritter und Verräter wurde. Eine Serie, die zu den besten Fantasy-Veröffentlichungen der letzten Jahre gehört.

Michael Sterzik

Freitag, 18. April 2025

Einsteigen Warum das Bahnfahren immer noch die schönste Art zu reisen - Titus Müller


Ist Bahnfahren immer schrecklich, weil man vielleicht vergeblich auf den Zug wartet, der Zug zu spät kommt und man seinen Anschlusszug nicht mehr erreicht, oder weil die Mitreisenden nur nerven, vielleicht ist auch noch die Toilette defekt oder das Bistro verlangt Preise jenseits unserer Vorstellungskraft? Das ist sicher alles richtig, und als professioneller Bahnreisender habe ich in den letzten dreißig Jahren wohl so ziemlich alles an Katastrophen mit der Bahn erlebt. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gab auch schöne Erlebnisse, Züge, die mich tatsächlich pünktlich an mein Ziel brachten, tiefsinnige, ernste und lustige Gespräche mit meinen Sitznachbarn. Und bei rund 250 Stundenkilometern im ICE kann man beim Blick auf die Landschaft durchaus ein Gefühl der Entschleunigung bekommen. Und manchmal auch eine meditative Soziologie des Lebens selbst.

 

Es gibt viele Vorteile, ebenso viele Nachteile und jeder muss für sich selbst entscheiden, wie und mit welchem Stress oder Vergnügen er Hunderte oder gar Tausende von Kilometern zurücklegen möchte. 

 

Titus Müller hat mit seinem neuesten Buch “Einsteigen“ - Reisen mit der Deutschen Bahn eine Lanze gebrochen. Als Autor reist er vor allem mit der Bahn von Lesung zu Lesung, von Interview zu Interview und erzählt von seinen Erlebnissen mit der Bahn in Europa, in den USA und natürlich in Deutschland. Es ist eine kleine Liebeserklärung und lässt Bahnkritiker darüber nachdenken, ob wirklich alles so dramatisch ist, wie es immer dargestellt wird. Um es vorweg zu sagen: Nein, das ist es nicht.

 

Für Bestsellerautor Titus Müller ist das Bahnreisen immer noch die schönste Art zu reisen. In Einsteigen erzählt er von eigenen Erlebnissen rund um das Zugfahren, nimmt uns mit in einen Nachtzug nach Venedig, begegnet Eisenbahn-Enthusiast:innen und erkundet, wie das Bahnfahren unser Lebensgefühl, unser Miteinander und übrigens auch unsere Zeitmessung beeinflusst hat. Mit feinem Humor, entwaffnender Menschenkenntnis und erzählerischer Raffinesse ermuntert er uns, sich auf die unwägbaren Begegnungen und Erfahrungen beim Bahnfahren einzulassen, denn im Zug sitzen wir selten allein. So kann jede Bahnreise zum Genuss werden - und unsere ewige Sehnsucht sowohl nach Verbundenheit als auch nach der Ferne stillen. (Verlagsinfo) 

 

Das kleine Buch ist großartig, und vielleicht ist Titus Müller mit diesem Titel zum Botschafter aller Eisenbahnen geworden. Mit viel Gefühl, noch mehr Humor und entwaffnender Ehrlichkeit erzählt er von seinen Erlebnissen und Begegnungen im Zug. Er öffnet seine Schranken und schenkt dem Leser eine Fahrkarte für unterhaltsame Stunden, die uns zeigen, dass Reisen uns immer auch das Gefühl gibt, selbst Ausgangspunkt und Ziel zu sein. 

 

Im Zug reisen Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft, Religion, Wissens usw. - und wo sonst haben wir die Möglichkeit, mit ihnen in einen heiteren Dialog zu treten? Die Sehnsucht des Autors, „Menschen“ zu beobachten, kennen zu lernen und vielleicht einen weiteren Blickwinkel zu bekommen, beschreibt er in vielen Erlebnissen, die wir auch haben könnten oder noch haben werden.

„Einsteigen“ hat auch etwas mit „Aussteigen“ aus dem Alltag zu tun. Mit den anderen Reisenden bilden wir eine Zweckgemeinschaft, eine Gruppe von Brüdern und Schwestern, eine Gruppe, die vielleicht nicht nur das gleiche Ziel vor Augen hat, sondern auch das gleiche Schicksal? Alles ist möglich und eine Reise kann sehr abenteuerlich sein. Man weiß, wo man hin will - aber die gedanklichen Umwege, die man nimmt, die kennt man nicht. 

 

Titus Müller lässt auch Vergleiche mit anderen Ländern zu, das ist sehr interessant und zeigt auch deutlich die Defizite auf, die wir in Deutschland haben. Aber auch hier geht es nicht um perfekte Technik auf Schienen - auch hier stehen die Menschen im Mittelpunkt, die uns helfen, von A nach B zu kommen.

 

Fazit

 

Nehmen Sie sich Zeit, steigen Sie ein in dieses Buch und begleiten Sie Titus Müller auf seinen Reisen. Vielleicht treffen wir ihn im Abteil, im Bistro oder auf dem Bahnsteig. Wir Menschen reisen immer - das liegt in unserer Natur, und wir lernen dabei immer dazu. Das ist großartig.

 

Michael Sterzik 

Mittwoch, 12. März 2025

Im Wind der Freiheit - Tanja Kinkel


Um 1830 waren die Rechte der Frauen außerordentlich eingeschränkt. Ihr Schicksal wurde ausschließlich von Männern bestimmt. Das Recht auf Bildung, auf ein selbstbestimmtes Leben, auf freie Meinungsäußerung, auf freie Berufswahl usw. - für uns heute in den Grundrechten verankert - mussten sich die Frauen damals erst erkämpfen. Und dieser Kampf war für Frauen wie Louise Otto, die unter anderem die Hauptrolle in diesem Roman spielt, mehr als schwierig. 

Politische, kulturelle und sozialkritische Themen wurden immer wieder torpediert, aber auch unterstützt, nicht zuletzt von Männern, deren intellektueller Zeitgeist zur Revolution beitrug. 

Louise Otto war zeitlebens Schriftstellerin, Vorkämpferin für Frauenrechte und später auch Gründerin und Leiterin von Frauenvereinen. 

Der vorliegende Roman “Im Wind der Freiheit“ von Tanja Kinkel greift diese Themen in einem informativen Roman auf.

1848: Die Menschen im Deutschen Bund erheben sich gegen die Macht der Fürsten und der Zensur. Während Deutschland die Morgendämmerung der Demokratie erlebt, finden in den Wirren der Zeit zwei ungleiche Frauen zueinander: Die arbeits- und mittellose Susanne, die sich auf einen gefährlichen Auftrag eingelassen hat – und die mutige Schriftstellerin und unbeirrbare Demokratin Louise Otto. Seite an Seite kämpfen sie für Freiheit und Selbstbestimmung in einer Revolution, die trotz ihres Scheiterns das Land für immer verändern wird. (Verlagsinfo)

Die Französische Revolution war einer der Funken, der diesen Sturm für die Gleichberechtigung der Frauen auslöste. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren und welche Abhängigkeiten entstanden. Die Armut trieb viele Frauen in die Prostitution, ein Schicksal, das auch die zweite Hauptfigur Susanne erleidet, deren Weg sich mit dem von Louise Otto verbindet. 

„Der Wind der Freiheit“ ist leider nur ein spannender Luftzug. Der Unterhaltungswert ist eher spröde, die Atmosphäre leidenschaftslos erzählt. Die Emotionen der Frauen werden von der Autorin zwar beschrieben, aber zu nüchtern. 

Das Thema wird informativ und ausführlich erklärt, aber es gleicht eher einem mittelmäßigen Sachbuch mit vielen inhaltlichen Lücken. Man quält sich von Kapitel zu Kapitel durch das Buch, ohne mit den Personen oder dem Thema sympathisieren zu können.

Auch die Erzählweise ist zu eindimensional. Die Perspektive, die Ansichten und Ideale der dominanten Männerwelt werden kaum erzählt. Sie sind eigentlich die Bösen, bekommen aber keine Gelegenheit, sich zu positionieren. 

Die Recherchearbeit von Tanja Kinkel ist wie immer hervorragend, nur der Erzählstil hinkt deutlich hinterher. Auch vermisse ich ein Nachwort der Autorin. Wenn man ein so wichtiges, historisches Thema aufgreift - wo erklärt die Autorin dann Hintergründe etc. Es gibt nur ein kleines, überschaubares Quellenverzeichnis.

Fazit

Ein wichtiges Thema, leider ohne spannende Unterhaltung erzählt. Emotionslos, nüchtern - aber sachlich informativ. 

Wer sich für das Thema und die Hintergründe interessiert, dem empfehle ich ein Sachbuch.

Michael Sterzik